Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit Wolfgang Schellenberg. Der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums beim TSV 1860 München gibt Einblicke in die Ausbildungsarbeit bei den Löwen und lässt den bisherigen Saisonverlauf Revue passieren.
Mit freundlicher Genehmigung der Münchner Wochenanzeiger
Herr Schellenberg, in dieser Woche starten die U19- und die U17-Junioren des TSV 1860 in die Rückrundenvorbereitung, kommenden Samstag folgt die U21. Rückblickend auf die erste Saisonhälfte, was bleibt Ihnen in Erinnerung?
Wir durften uns über vieles freuen. Zunächst fällt mir der Merkur-Cup-Erfolg der E-Junioren und der Aufstieg der C-Junioren ein. Und auch in der laufenden Saison stehen die einzelnen Mannschaften wie etwa die U21, die U19, die U17 oder auch die U12 hervorragend da. Zudem haben erneut einige unserer Spieler den Sprung in den Lizenzbereich geschafft, wir haben eine sehr gute Derby-Bilanz – unsere Junglöwen-Philosophie ist erfolgreich.
Was muss man sich unter der Junglöwen-Philosophie vorstellen?
Dazu gehört eine einheitliche Spielauffassung, beginnend beim gleichen System sowie der Art und Weise, wie wir auf dem Platz auftreten wollen. Junglöwen spielen beispielsweise betont offensiv, kommen über die Flügel und streben nach Ballverlust die frühestmögliche Rückeroberung des Balles an. Dazu gehören typische Merkmale wie Stoßstürmer und flacher Spielaufbau sowie eine mutige und aggressive, aber faire Spielweise. Wir verfolgen unsere Vorstellungen von der U21 bis hin zu den Jüngsten. Auch für das Erscheinungsbild und das öffentliche Auftreten gibt es klare Regeln beim TSV 1860.
In Sachen Ausbildung für den Lizenzbereich fällt der U21 eine wichtige Rolle zu...
Absolut richtig, das ist die Schnittstelle zum Lizenzbereich und Profitum. Gerade vor dieser Saison – mit neuer Liga und noch jüngerer Mannschaft – standen ja viele Fragezeichen. Rückblickend kann man sagen, dass wir einen Kader mit sehr hoher Qualität zusammengestellt haben. Wäre nicht der schwache Saisonstart mit alterstypischen Anpassungsproblemen an den Herrenfußball gewesen, wären wir vermutlich in der Regionalliga Bayern ganz vorne dabei, aber auch jetzt haben wir noch Tuchfühlung zur Tabellenspitze.
Aber mit Stefan Wannenwetsch, Bobby Wood und Markus Ziereis verlieren Sie jetzt in der Winterpause drei Stützen, ebenso wie mit Alexander Schmidt den Trainer!
Klar, allerdings ist eben genau das unser Ziel, Spieler für die eigenen Profis auszubilden und nach oben zu geben, auch wenn dadurch die U21 als Team geschwächt wird. Wir sind eine Ausbildungsmannschaft, bei der nicht das Spielergebnis im Vordergrund steht, sondern die Aufgabe, Talente zu entwickeln. Wenn dies dann bei drei Spielern bereits zur Winterpause klappt, dann dürfen wir das als großen Erfolg für unser Nachwuchsleistungszentrum ansehen. Mit Jann George haben wir zudem für den Sturm einen Spieler als Ersatz für die nach oben gerückten Stürmer verpflichtet. Jetzt ist es unsere Aufgabe, die nächsten Talente an die Profis heranzuführen. Wichtig ist dabei, mit jungen Spielern geduldig zu sein, sie nicht zu verheizen, sondern Schritt für Schritt zu entwickeln.
Eine Aufgabe für den neuen Trainer Markus von Ahlen...
Nachdem Alex die Chance bei den Profis bekommen hat, war es für uns wichtig, einen Trainer zu verpflichten, der genau zu unserem vorgegebenen Konzept passt und bereit ist, nach diesem zu arbeiten. Das trifft auf Markus zu. Zudem verfügt er als Trainer über Erfahrungen im Jugend- und Herrenbereich und durch seine langjährige Erfahrung als Spieler im Profibereich kann er den Jungs erzählen, was auf sie im Profibereich zukommt und was gefordert ist, um überhaupt dort hinzugelangen.
Wie wird es mit der U21 nach der Saison weitergehen?
Grundsätzlich werden wir an unserem Konzept festhalten. Das bedeutet, dass den Stamm des Teams in der kommenden Saison die Jahrgänge 93, 94 und 95 bilden werden. Im Ausnahmefall wird vielleicht noch der eine oder andere ältere Spieler dabei sein, aber nur dann, wenn wir denken, dass ihm noch der Sprung in unsere eigene Lizenzmannschaft gelingen könnte. Ansonsten müssen die älteren Spieler den Platz freimachen für die nachrückenden Talente. Eine U21 wird, wie bei allen anderen Nachwuchsleistungszentren auch, immer von einer hohen Fluktuation begleitet sein, da sich in diesen zwei bis drei Jahren in der Regel entscheidet, bei wem der Weg in den Profifußball geht und bei wem in den Amateurfußball.
Kommen wir zum Juniorenbereich. Die U19 steht in der Bundesliga in Reichweite zur Tabellenspitze.
Mit den Ergebnissen der U19 sind wir sehr zufrieden. Vor allem am Saisonanfang hat die Mannschaft spielerisch überzeugt und von ihrer defensiven Stabilität profitiert. Vielleicht klappt es am Ende sogar mit der Endrundenteilnahme um die Deutsche Meisterschaft. Wichtiger für die Rückrunde wird aber sein, dass wir noch dominanter unser eigenes Spiel offensiv durchziehen und unsere Philosophie übertragen sowie die Jungs individuell schulen und weiter entwickeln. Zudem ist es unsere Aufgabe, die Spieler jetzt schrittweise näher an die U21 heranzuführen und auf den Herrenfußball vorzubereiten. Der eine oder andere Spieler wird in der Rückrunde mit Sicherheit öfter bei der U21 im Training oder im Spiel zum Einsatz kommen.
Konnten sich bereits Spieler aus der U19 ins Blickfeld spielen?
Ich denke, gerade an der U19 sieht man, welche Möglichkeiten die Talente beim TSV 1860 München bekommen. Im Sommer waren vier U19-Spieler im Trainingslager bei den Profis dabei, das bieten nicht viele Klubs. Neben den vier Genannten haben eine Reihe weiterer Spieler immer wieder bei den Profis mittrainieren dürfen oder sind sogar bei Freundschaftsspielen zum Einsatz gekommen. Die enge Verzahnung von Ausbildungsbereich und Profimannschaft ist ein typisches Kennzeichen des TSV 1860 München. Wir haben viele talentierte Jungs, von denen ich überzeugt bin, dass es der eine oder andere schaffen kann. Felix Weber erhielt zuletzt wieder eine Nominierung für die U18-Nationalmannschaft. Und auch Julian Weigl, Mike Ott und Michael Netolitzky dürften sich in die Notizblöcke der Auswahltrainer gespielt haben.
Apropos Nationalmannschaft – in der U17 konnten sich auch einige Spieler über Einladungen freuen.
Das stimmt. Angelo Mayer, Richard Neudecker und Philipp Walter wurden im September zu Länderspielen nominiert – Richard Neudecker auch jetzt wieder für das Wintertrainingslager der U17-Nationalmannschaft in Spanien. Darüber freuen wir uns natürlich sehr.
Bei Angelo Mayer und Richard Neudecker laufen die Verträge zum Saisonende aus.
Beide haben mittlerweile verlängert. Ebenso können wir in der Winterpause mit Lorenz Walbert vom 1. FC Nürnberg einen Neuzugang begrüßen, der ebenfalls zum erweiterten Kader der U17-Nationalmannschaft gehört. Der TSV 1860 ist auch für Top-Talente anderer Vereine eine hochinteressante Adresse.
Die Entwicklung in der U17 konnte so ja nicht unbedingt erwartet werden, der Jahrgang galt als problematisch.
Ich bin positiv überrascht von den Leistungen. Dass wir uns mit der U17 im Spitzenfeld der Tabelle wieder finden würden, konnte tatsächlich nicht erwartet werden. Eine schöne Sache war auch der 3:0-Derby-Erfolg über unseren Lokalrivalen. Man muss sagen, einerseits haben sich unsere eigenen Spieler sehr gut weiter entwickelt, andererseits haben sich die vor der Saison gekommenen Neuzugänge als absolute Verstärkungen erwiesen. Und nicht zuletzt hat sich der Trainerwechsel hin zu Josef Steinberger äußerst positiv ausgewirkt, er verkörpert das, was wir von unseren Trainern erwarten.
Wie sieht es bei den jüngeren Jahrgängen aus?
Alle Mannschaften von der U16 abwärts belegen ordentliche Tabellenplätze, hier können wir mit dem Erreichten zufrieden sein, wobei beim einen oder anderen Team mit Sicherheit noch etwas Luft nach oben ist. Viel wichtiger aber ist, dass wir in allen Jahrgängen sehr talentierte Spieler haben, die wir gezielt fördern können.
Welche Wünsche haben Sie für das Jahr 2013?
Dass es uns weiterhin gelingt, gute Talente zu sichten, zu entwickeln und ältere Jahrgänge im Optimalfall an die Profis heranzuführen. Sollte dabei der eine oder andere Junioren-Titel hinzukommen, dann hätte sicher niemand etwas dagegen.
Interview: Münchner Wochenanzeiger